Hi,
ich durfte ja den Umgang mit Steadicam richtig lernen und dabei natürlich auch das richtige Einstellen.
Aaalso:
Der Schwerpunkt des Ganzen soll knapp unterhalb des Gimbals, also knapp unterhalb des Kardangelenks sein.
Wenn der Schwerpunkt tiefer liegt, fängt das Ding an zu pendeln.
Der Richtwert für die Einstellung ist die sog. Drop-Time.
Das ist die Zeit, die das Ding aus horizontaler Lage bis in die Vertikale braucht.
Also ... Du nimmst das Ding, ziehst es am unteren Gewicht bis die Stange (der sog. Post) horizontal ist wartest einen kurzen Moment und lässt es dann los. Dann sollte es so sein, dass die Stange nach 2-3 Sekunden das erste Mal vertikal ist.
Ist es schneller, dann ist der Schwerpunkt zu tief, ist es langsamer dann ist der Schwerpunkt zu hoch.
Dies ist aber nur eine der Einstellungen, auf die man achten muss.
Die zweite Einstellung ist seitlich. Schließlich muss die Kamera ja auch seitlich gerade stehen.
Dann kommt die abschließende Probe:
Der Schwerpunkt muss nicht nur in der Höhe passen, sondern ganz wichtig: Er muss auch in der Achse liegen.
Genauer: Die gedachte Linie von Schwerpunkt der Kamera zum Schwerpunkt des Gegengewichts muss in der Stange verlaufen. Sowohl in vorne/hinten als auch in rechts/links Ausrichtung.
Um dies zu prüfen, hälst Du das Schwebestativ in "Betriebsposition" und bringst die Kamera dann zum Drehen. Du schubst sie also mit der Hand an, sodaß sie sich um die Hochachse dreht.
Wenn nun die Schwerpunktachse nicht entlang der Stange liegt, dann fängt das Ding an zu taumeln.
Das ist eine Falscheinstellung, die man sehr häufig findet.
Das passiert z.B. wenn der Schwerpunkt der Kamera nicht über dem Gelenk liegt, sondern davor und man dies dann versucht durch Verschieben des Gegengewichts nach hinten auszugleichen.
Wenn Du dann die Kamera in Drehung versetzt, dann zieht der Kameraschwerpunkt (der ja "oben" vor der Achse liegt) nach vorne, der Gegengewichtschwerpunkt (der ja "unten" hinter der Achse liegt) nach hinten und das ganze Ding fängt an zu taumeln.
Du machst die Einstellung des Schwebestativs also folgendermaßen:
- Du hängst das Ding mit dem Handgriff auf ein Lampenstativ oder ähnliches, sodaß es frei schwingend hängt.
- Du entfernst alle untere Gegengewichte
- Du montierst die Kamera oben auf das Schwebestativ und zwar genau so, wie Du sie dann auch benutzen willst. Also Monitor ausgeklappt, Objektiv auf die gewünschte Brennweite gestellt - bei Fotoobjektiven auch den Fokus beachten, da die Verschiebung der Linsen im Objektiv eine Schwerpunktänderung bedeutet.
- Dann stellt Du die Position der Kamera (vorne / hinten sowie links / rechts) so ein, dass sie ohne Gegengewicht fast von alleine gerade bleibt. Dadurch hast Du den Schwerpunkt der Kamera genau über das kardanische Gelenk gelegt.
- Nun baust Du das Gegengewicht unten an, mitsamt aller Akkus, Monitore usw. wie Du es benutzen willst.
- Du stellst dann das Gegengewicht in der Höhe so ein, wie es Dir für die Arbeit mit dem Ding angenehm ist.
- Du baust dann die Mengen an Gewichten so an das Gegengewicht, dass der Schwerpunkt schon möglichst nahe an den gewünschten Punkt kommt. -> Drop-Time!
- Du stellst dann die Position des Gegengewichtes vorne/hinten und rechts/links so ein, dass das ganze Ding gerade steht.
Die Position der Kamera wird dabei NICHT mehr verändert.
- Du verschiebst jetzt die Höhe des Gegengewichts leicht nach oben oder unten als Feineinstellung, bis Du die optimale Drop-Time erreicht hast.
Zu guter Letzt noch ein wenig Feineinstellung vorne/hinten und rechts/links des Gegengewichts.
Bedenke: Änderung der Brennweite oder des Fokus bei Fotoobjektiven ändert den Schwerpunkt der Kamera. Du musst dann also ggfs. nachjustieren. Wenn die Erstjustage sauber war, kann Du dies dann durch Verschieben der Kamera wieder korrigieren. Damit bringst Du dann den Schwerpunkt wieder über das Gelenk.
Bedenke weiter: Das ganze funktioniert durch Trägheit. Je schwerer die Kamera ist, umso besser klappt das Ganze. Bei leichten Kameras ist es empfehlenswert eine Stahlplatte als zusätzliches Gewicht unter die Kamera zu montieren.
Und nicht verzagen: Eine geübter und ausgebildeter Steadicam-Operator kalkuliert etwa eine Stunde Rüstzeit um eine Kamera das erste Mal auf das Steadicam zu montieren.
Dann darfst Du beim ersten Mal ruhig einen ganzen Tag brauchen, um das Ding mal richtig eingestellt zu haben.
Bei der Benutzung:
Den Höhenausgleich, der bei einem vollständigen Steadicam durch die Federarme erreicht wird, machst Du mit Deinem Arm.
Du hälst das Ding so, dass Dein Oberarm parallel zum Oberörper ist (also nach unten ausgerichtet ist) und den Unterarm im rechten Winkel dazu nach vorne ausgerichtet. Der Unterarm übernimmt dann die Funktion des Federarms und sorgt für die Höhenberuhigung.
Wenn Du Rechtshänder bist, dann hält Deine linke Hand den Handgriff des Schwebestativs (der Linke Arm trägt das Ding also) mit der rechten Hand (bzw. nur zwei Fingern ganz zart) steuerst Du den sog. Post, also die Stange, um die Rotation der Kamera zu kontrollieren.
Die Höhe der Kamera wählst Du (möglichst) so, dass die Kamera etwas über Schulterhöhe ist. so kannst Du die Kamera auch in der sog. "Don-Juan" Stellung benutzen, das heisst, die Kamera schaut dir über die Schulter nach hinten. Du kannst also jemanden von vorne Filmen und trotzdem vorwärst laufen.
Mit einer leichten Umjustierung, indem Du einfach nur den Gimbal (also das kardanische Gelenk) auf der Achse etwas verschiebst, kannst Du das Ding dann für den sog. Low-Mode umstellen. Dabei drehst Du das Ding dann einfach auf den Kopf, sodaß die Kamera unten ist und Gegengewicht oben. Interessant um z.b. die Füßen von einem Jogger aufzunehmen, kleiner Tiere aus deren Augenhöhe usw. und trotzdem dabei gehen bzw. rennen zu können.
Und lass Dir blos nicht diesen Quatsch mit "Katzengang" und sowas aufquatschen.
"Katzengang" bedeutet: Schleichen wie eine Katze. Wenn jemand was davon rumblubbert: Konsequent ignorieren!
Das ist absolut kontraproduktiv.
Gehe aufrecht, sauber und gleichmäßig mit ganz normalen Schritten.
So übst Du das Ganze. Mit einem bisschen Übung kannst Du dann auch Treppen laufen, rennen usw. und es gibt immer noch saubere Aufnahmen.
Mit einem "Katzengang" behinderst Du Dich nur selber und bringst damit unschöne Höhenbewegung in die Aufnahme, weil der Katzengang gegen das Trägheitsprinzip arbeitet, es also schwerer macht, den Höhenausgleich im Oberarm vorzunehmen.
So, und nun wünsche ich Dir viel Spaß mit dem Schwebestativ.
Richtig eingestellt und mit einem bisschen Übung hast Du damit deutlich mehr Freude und Möglichkeiten als mit einem aktiven Gimbal.
Viele Grüße
Peter